Familienfreundlichkeit oder anders ausgedrückt, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das ist ein Thema, das bei den Paracelsus Kliniken ziemlich weit oben steht auf der Agenda. Wir unterstützen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit vielen familienfreundlichen Angeboten und setzen dabei auf familiäre Werte. Dafür wurde das Unternehmen für drei Jahre vom audit berufundfamilie ausgezeichnet. Mit der Benennung von Familienbeauftragten an allen Standorten nimmt das Projekt Familienfreundlichkeit weiter Fahrt auf. Eigene Angebote zur Kinder(notfall)betreuung, flexible Arbeitszeiten, Wunschdienstpläne sowie die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten werden bei Paracelsus aktuell schon umgesetzt. Im Interview schildert Dr. Sina Wehrum-Osinsky, leitende Psychologin der Paracelsus Wiehengebirgsklinik am Reha-Standort Bad Essen, wie sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Paracelsus empfindet.
Was ist Dein Job in der Gesundheitsfamilie?
Seit 2020 bin ich leitende Psychologin in der Wiehengebirgsklinik Bad Essen.
Seit wann arbeitest du bei Paracelsus und wie sah dein Weg bisher aus?
2016 habe ich als Gruppentherapeutin in der Wiehengebirgsklinik begonnen, nachdem ich zuvor seit meinem Studium an der Uni Gießen in der Forschung gearbeitet und begleitend die Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin gemacht habe. 2017 habe ich die stellvertretende therapeutische Leitung mit Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit übernommen, 2019 war ich dann in Elternzeit und bin im Februar 2020 wieder eingestiegen.
Was ist das Coolste an deinem Beruf? Was macht den Reiz aus?
Das Schöne ist, dass mein Job viel Abwechslung bietet und ich das, was die Arbeit als Psychotherapeutin ausmacht und der Grund für meine Berufswahl war – nämlich der Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen und ihren Geschichten – mit dem verbinden kann, was mir ebenso Spaß macht: organisieren, kreativ sein, neue Ideen entwickeln und wenn es passt, auch umsetzen.
Und was stresst Dich manchmal?
Die Abwechslung, die ich so schätze, stresst tatsächlich auch manchmal. Es gibt so viele unterschiedliche Themen, Aufgaben und Anliegen, die auf meiner Liste stehen, dass ich manchmal das Gefühl habe, von einer Aufgabe zur nächsten zu jagen und dabei schon wieder für den nächsten Termin „umzuschalten“. Aber wie gesagt, es handelt sich dabei um zwei Seiten einer Medaille, ohne die eine Seite gäbe es die andere nicht…
Wie kam es, dass du deine Leitungsfunktion in Teilzeit ausübst?
Bereits 2016 bin ich mit 32 Stunden eingestiegen und wollte eigentlich auch nicht mehr arbeiten. Nach Übernahme der Leitungsfunktion habe ich meine Stundenanzahl noch ein wenig erhöht. Eine Vollzeitstelle mit 100% Präsenz am Arbeitsplatz hätte allerdings meiner Vorstellung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie widersprochen.
Wie klappt das – „nur“ halbtags Führungskraft sein?
Naja, genaugenommen sind 34 Stunden/ Woche ja keine Halbtagsbeschäftigung… Tatsächlich bietet mir Paracelsus als Arbeitgeber aber die Möglichkeit, einen Teil meiner Zeit im Homeoffice zu arbeiten. Dort kann ich dann all das erledigen, was keine persönliche Anwesenheit erfordert. Das klappt im Regelfall sehr gut, weil wir ein super eingespieltes Team in der Klinik haben. An manchen Stellen, z.B. was gewachsene Kommunikationsstrukturen angeht, hoffe ich, zukünftig etwas zur noch effizienteren Kommunikation mittels verschiedener Medien beizutragen.
Und was sagen deine Kolleginnen und Kollegen dazu?
Von vielen erhalte ich positive Rückmeldungen, aber es ist durchaus auch eine Umstellung, dass ein Teil meiner Arbeitszeit nicht vor Ort erfolgt. Hier ist einiges an Strukturierung und Organisation notwendig, um dennoch einen reibungslosen Ablauf im therapeutischen Alltag zu gewährleisten. Auch hier ist ein wesentlicher Bestandteil natürlich das Team, das kompetent und eigenverantwortlich handelt und vor allem auch mitdenkt. Wenn es bei bestimmten Abläufen noch holpert, dann gibt es immer die Möglichkeit zum Austausch, wenn auch corona-bedingt aktuell nicht so oft in großer Runde, wie ich es mir wünschen würde.
Wie hast du die Corona-Zeit erlebt mit der Mehrfachbelastung Job – Familie – Kinderbetreuung etc.?
Da wir zu den glücklichen Familien gehörten, die für einen großen Teil der Zeit eine Notbetreuung in Anspruch nehmen konnten, traf die Mehrfachbelastung nur für einige Wochen für mich zu. Neben den positiven (ich habe natürlich viel mehr Zeit mit meiner Tochter verbracht als es während der regulären Arbeits- und KiTa-Wochen möglich gewesen wäre) und negativen Effekte (meine Tochter hatte anstelle vieler Gleichaltriger den ganzen Tag nur mich zum Spielen und Toben) ist für mich während dieser Zeit eines sehr deutlich geworden: Wer der Auffassung ist, Eltern könnten neben der Betreuung ihrer Kinder im Homeoffice ganz einfach nebenbei ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, hat dieses Modell noch nicht getestet. Arbeiten war dann möglich, wenn meine Tochter schlief und erforderte eine straffe Organisation und dennoch große Flexibilität unseres Wochenplans. Dies ist natürlich abhängig vom Alter der Kinder, ich kann nur von meinen Erfahrungen mit einer inzwischen etwas über zweijährigen Tochter sprechen, dennoch: Ich habe größten Respekt vor allen Eltern, die nun mittlerweile schon über ein Jahr immer wieder mit der Betreuung ihrer Kinder im häuslichen Rahmen konfrontiert sind.
Was spricht dafür, mehr Leitungspositionen in Teilzeit zu vergeben?
Clevere Organisation und Möglichkeiten zum Homeoffice können die Möglichkeit bieten, fähige Personen für Positionen zu gewinnen, welche diese ansonsten vermutlich nicht anstreben würden. Natürlich spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier eine zentrale Rolle, wie ich meine. Gerade in Bereichen, die Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen, ist ein Teilzeitangebot sicher eine attraktive Möglichkeit, potenzielle neue MitarbeiterInnen zu werben. Darüber hinaus können realistische Teilzeitangebote meines Erachtens die MitarbeiterInnenzufriedenheit deutlich erhöhen. Und da zufriedene MitarbeiterInnen effizient arbeiten, profitiert im Endeffekt auch der Arbeitgeber von diesem Modell, also eine Win-win-Situation.
Und was sind Herausforderungen dieses Arbeitszeitmodells, die man im Blick haben sollte?
Dass nicht immer alles nach Plan läuft… und man dementsprechend Flexibilität und ein gewisses Ausmaß an Strukturierungsfähigkeit im Gepäck haben sollte 😉.
Was würde aus deiner Sicht noch helfen, mehr Frauen in Führung zu bringen?
Da könnte ich in allgegenwärtige Debatten einsteigen und vermutlich eine lange Liste aufzählen… Das korrekte Gendern in Stellenausschreibungstexten ist sicher schon einmal ein guter Anfang, sollte aber bitte nicht die einzige Maßnahme sein, um auch Frauen für bestimmte Positionen anwerben zu wollen. Für die meisten Frauen spielt auch heute noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine größere Rolle als für Männer. Dementsprechend ist für mich hier auch ein wichtiger Ansatzpunkt verortet. Wird es Frauen erleichtert, ihre Führungsposition mit einer ggf. bestehenden oder geplanten Familie in Einklang zu bringen, werden sie sich auch auf eben diese bewerben. Hier kann die arbeitsplatzinterne Kinderbetreuung genauso erleichternd wirken wie das arbeitgeberseitige Angebot der Unterstützung bei Wohnungs- und Kinderbetreuungssuche bei einem ggf. anstehenden Wohnortwechsel. Warum also nicht explizit damit werben und im Vorstellungsgespräch konkretisieren?