„Süchtig nach Leben” – Jeder Weg in eine Abhängigkeit ist vielschichtig, facettenreich, sehr persönlich und individuell. Mit diesem SehnSuchtblog möchten wir die persönlichen Geschichten dahinter beleuchten, Suchttherapie-Möglichkeiten aufzeigen, bestärken, den Weg aus der Sucht zu gehen und Lebenslust versprühen. Denn: Das Leben ist schön, sogar wunderschön. Und zu schön, um es vom Suchtmittel beherrschen zu lassen.
Eine Suchtverlagerung oder auch „Umsteigeeffekt“ oder „Abhängigkeitsverlagerung“ bezeichnet den Ersatz eines Suchtmittels durch ein anderes. „Die Sucht kann sich dabei von einer stoffgebundenen Sucht wie Alkohol, auf ein anderes stoffgebundenes Suchtmittel wie Drogen, Medikamente oder Nikotin verlagern. Die Verlagerung kann aber auch auf ein nicht-stoffgebundenes Suchtmittel erfolgen. Das betrifft zum Beispiel die Bereiche Glücksspiel, Online-Gaming, Sportverhalten, Arbeit und Sex, Kaufverhalten oder Essverhalten“, weiß Jana Kaiser, Therapieleitung der Paracelsus Berghofklinik und Paracelsus Wittekindklinik.
Die Suche nach dem „Ersatz-Hilfsmittel“
Klar ist, dass nicht Jeder durch den Konsum potenzieller Suchtmittel auch davon abhängig wird. Abhängigkeitserkrankungen entstehen meist dann, wenn zum Beispiel andere psychische Erkrankungen, Probleme in der Persönlichkeit, in der Selbstwahrnehmung oder im eigenen Selbstwert hinzukommen. Das Suchtmittel ist in diesen Fällen häufig der Versuch, mit vorhandenen Problemen besser umgehen zu können. „Wenn ich zum Beispiel selbstunsicher bin und mich nicht traue mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, gelingt mir die Kontaktaufnahme unter Alkohol vielleicht zunächst leichter“, verdeutlicht Kaiser. Fällt dieses Hilfsmittel weg, stehe man dem eigentlichen Problem wieder hilflos gegenüber, da es bisher nicht gelöst wurde. Betroffene würden unruhig und suchen sich mögliche Alternativen, suchen nach einem „Ersatz-Hilfsmittel“. Schleichend setze eine Verlagerung der Abhängigkeit von einem Suchtmittel auf ein anderes ein.
Problem an der Wurzel packen
Suchtverlagerungen entstehen meist dann, wenn zwar ein körperlicher Entzug erfolgt ist, jedoch keine Entwöhnungsbehandlung im Anschluss folgt. „Ziel einer Therapie, wie bei uns in Bad Essen ist es, das Problem an der Wurzel zu packen. Damit meinen wir, tatsächlich funktionierende Bewältigungsstrategien für ein individuelles Problem hinter der Suchtentwicklung zu finden. Im zweiten Schritt ist es wichtig, diese Strategien einzuüben, sodass ein Ersatzmittel nicht nötig wird“, erklärt Kaiser den Umgang in der Therapie weiter. Die Betroffenen seien somit in der Lage, kompetenter mit sich, den Anforderungen anderer und der eigenen Lebensumstände umzugehen. Nicht zu vergessen den möglicherweise weiterhin auftretenden Unruhezuständen. Wenn diese Aspekte greifen, wird eine dauerhafte Suchtverlagerung verhindert. „Ebenso ist uns in der Therapie wichtig, so Kaiser, unsere Patientinnen und Patienten über das Phänomen „Suchtverlagerung“ aufzuklären und während der Therapie ein potenzielles Verhalten in Form von beispielsweise gesteigertem Konsum von Süßigkeiten oder extremen Sportverhaltens anzusprechen sowie gemeinsam kritisch zu reflektieren.“ Aus diesen Gründen vertrete die Klinik auch eindeutig den Ansatz der absoluten Abstinenz und lehne die Idee des kontrollierten Konsums ab.
Im Kliniksetting beobachtet Kaiser die Suchtverlagerung vor allem im Bereich eines erhöhten Nikotinkonsum, bei der Verlagerung auf Essen mit einer entsprechenden Gewichtszunahme oder auch, wenn Patientinnen und Patienten erneut in die stationäre Behandlung nach Bad Essen kommen. Allerdings mit einem veränderten Suchtmittel, zum Beispiel einer Verlagerung vom Cannabiskonsum zum Alkoholkonsum.