Die Idee ist so einfach wie überzeugend: Wenn der Patient nicht zur Therapie kommen kann, kommt die Therapie zum Patienten. Das ist der Grundgedanke der interaktiven digitalen Paracelsus Therapie-App, die an der Paracelsus Klinik in Bremen vor allen Dingen in der Therapie für chronische Schmerzpatienten eingesetzt wird. Seit einem halben Jahr ist die interaktive App in der Schmerzmedizin im Einsatz – und vom Erfolg sind Ärzte und Therapeuten positiv überrascht.
„Uns war von Anfang an klar, dass eine solche App hervorragend geeignet ist, um zum Beispiel unter Pandemiebedingungen ein adäquates Therapieangebot machen zu können. Dass unsere Patienten die App so gut annehmen, hat uns aber überrascht, wir hatten mit mehr Beratungsaufwand gerechnet“, erklärt Nadine Schneider, verantwortliche Managementleiterin der Schmerzmedizin.
Multimodale Schmerztherapie und Telemedizin
Die Schmerzmedizin in Bremen bietet Patienten, die dauerhaft an Schmerzen leiden, unter anderem ein multimodales teilstationäres Behandlungsprogramm an. Ein 15-tägiges tagesklinisches Behandlungskonzept für Versicherte der AOK Bremen/Bremerhaven beispielsweise umfasst sieben Präsenztage, an denen die Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt mit Ärzten, Therapeuten und spezialisierten Pain Nurses, unter den gesetzlich geltenden Corona-Schutzmaßnahmen, vor Ort in der Klinik behandelt werden. An den restlichen Tagen sind die Patienten zu Hause, haben jedoch eine ganze Reihe an „Hausaufgaben“: Physiotherapeutische Trainingseinheiten, Entspannungsübungen, medizinische Aufklärung rund um die eigene Schmerzerkrankung sind typische Therapiebausteine. Und genau diese werden über die Paracelsus Therapie App zur Verfügung gestellt, während der Dauer der Therapie bekommen die Patienten ihr persönliches Therapie-Tablet seitens der Klinik zur Verfügung gestellt.
„Wir können sehr individuell aus vielen Übungsvideos, Anleitungen und Vorträgen auswählen und so ein maßgeschneidertes Therapieprogramm für jeden Patienten zusammenstellen. Der Patient kann sich dann jederzeit einloggen und sein Therapieprogramm absolvieren, direkt Feedback zu einzelnen Übungen hinterlassen oder auch einzelne Module mehrmals durchlaufen“, erklärt Dr. med. Hubertus Kayser, Schmerzmediziner und Chefarzt der Abteilung für Schmerzmedizin. Per Chat oder Videoanruf ist es außerdem möglich, in engem Austausch mit den Schmerztherapeuten und weiteren an den Therapien beteiligten Therapeuten zu bleiben. So kann sehr schnell eine individuelle Anpassung des Therapieplans erfolgen, wenn die PatientInnen z.B. starke Schmerzen bei der Ausführung einer Übung haben sollten. Und auch psychotherapeutische Einzelgespräche lassen sich per Videocall durchführen. „Der persönliche Kontakt mit den Patienten ist durch die App nicht zu ersetzen. Aber dieses telemedizinische Angebot ist eine wunderbare und sehr flexible Ergänzung unserer multimodalen Schmerztherapie. Und in Zeiten von Corona der Schlüssel, um überhaupt ein Angebot machen zu können und so unsere chronisch kranken Patienten nicht allein lassen zu müssen“, erklärt Chefarzt Dr. Hubertus Kayser.
Früh auf die Pandemiesituation reagiert
Psychologische und soziale Aspekte spielen bei chronischen Schmerzpatienten eine nicht zu vernachlässigende Rolle beim Krankheitsverlauf. Die Pandemiesituation hat viele Schmerzpatienten zusätzlich belastet. Eingeschränkte Mobilität, Abnahme von sozialen Kontakten, durch die Corona-Situation ausgelöste Ängste oder Sorgen um Job oder die eigene Gesundheit – all dies kann das chronische Schmerzgeschehen verschlimmern. Schon früh hatte man sich bei Paracelsus Gedanken gemacht, wie therapeutische Angebote trotz Pandemie aufrechterhalten werden können – die Paracelsus Therapie-App, die ursprünglich für die Reha-Nachsorge entwickelt wurde, bot da eine sehr gute Alternative bzw. Ergänzung zur Therapie vor Ort in der Klinik.
18 Monate sind vergangen, seit die App das erste Mal in der Klinik vorgestellt wurde. Seitdem ist viel passiert, denn der Entwickler der App bietet zwar Therapieinhalte und Informationen an. Das eigentliche Potential der App liegt jedoch in den individuell entwickelten eigenen Inhalten der Paracelsus Klinik Bremen. Das reicht von grundsätzlichen Informationen zu Terminen, Kontaktmöglichkeiten und Parkplatzsituation über zahlreiche Vorträge zu unterschiedlichen Themen bis hin zu einem selbst produzierten Trainingsbereich. Therapeuten der Klinik zeigen speziell auf Schmerzerkrankungen zugeschnittene Übungen und leiten die korrekte Ausführung der jeweiligen Bewegungs- oder Entspannungseinheit im Video an.
Innerhalb der Klinikgruppe Paracelsus ist die Paracelsus Therapie-App in vielen Kliniken bereits etabliert; vorwiegend als Ergänzung zur Rehabilitation oder als Nachsorge-Programm nach Abschluss einer Reha. Bremen ist das erste Paracelsus Krankenhaus, das die App innerhalb der Multimodalen Schmerztherapie im akutmedizinischen Bereich einsetzt.
Auch die Mitarbeiter profitieren
In der Paracelsus Klinik Bremen profitieren jedoch nicht nur die Patienten von der App-Anwendung. Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements der Klinik steht den Beschäftigten der Klinik und der MVZs die Paracelsus Therapie-App ebenfalls zur Verfügung. „Ich muss zugeben, dass durch Corona mein Sportpensum extrem gegen null gewandert war. Da kam mir die Paracelsus Therapie-App gerade recht“, erinnert sich Alexandra Kindschuh, Mitarbeiterin in der Verwaltung der Klinik. Mittlerweile nutzt etwa ein Drittel der Belegschaft die App regelmäßig oder gelegentlich.
Nach erfolgreicher Einführung in der Schmerztherapie geht man jetzt weitere Einsatzgebiete an: Denkbare Anwendungsgebiete der App sind Vorbereitung im Vorfeld einer Operation oder die Nachsorge. Und innerhalb der Sportmedizin ist die App bereits als zusätzliches Angebot etabliert – ein digitales Präventionstraining macht die App zu einem praktischen und flexibel einsetzbaren digitalen Coach. Individuell und unter sportmedizinischer Begleitung, aber eben digital.