28. Januar 2022 

Ich habe (fast) alles mitgenommen, aber jetzt geht’s mir wieder gut!

“Ich hab noch Leben” – Mit diesem authentischen Blog zum Thema Krebs, teilweise von Patientinnen und Patienten selbst aufgeschrieben, möchten wir Mut machen und verschiedene Wege zurück ins Leben aufzeigen. Denn eines haben wir von den Betroffenen gelernt: Das Leben ist immer lebenswert.

Diese Geschichte ist eine von vielen unserer onkologischen Patientinnen und Patienten. Weitere Geschichten haben wir hier im Menü für Sie verlinkt. Schauen Sie rein. Jede einzelne geht ans Herz!


Der Brustkrebs war klein, gut versteckt und tückisch

„Ich liebe das Wasser, das Schwimmen im See. Ein See hat mir das Leben gerettet!“ So beginnt Angela H. (59) aus Leipzig ihre Geschichte. Im Spätsommer 2019 war sie baden, im Südwesten von Leipzig, ein bisschen außerhalb, da gibt es wunderschöne Wälder und Seen. Ihre ganze Haut hat anschließend gekribbelt. Auch die Brust. An einen Ausschlag hat sie zunächst gedacht. Als das merkwürdige Gefühl aber nicht aufhört, will sie es wissen. Sie nimmt einen Spiegel und untersucht ihre Haut genauer.

An der rechten Brust entdeckt sie eine Falte unterhalb der Brustwarze. „Das sah ganz komisch aus.“ Sicherheitshalber ruft sie ihre Gynäkologin an, bei der sie regelmäßig zur Vorsorge ist. Die Ärztin nimmt die kleine Veränderung ernst, sagt Angela H. nach dem Ultraschall, sie müsse sich keine großen Sorgen machen, überweist sie aber dennoch zur Stanzbiopsie und Mammografie nach Markkleeberg nahe Leipzig. Eine Woche später kommt die Diagnose: Angela H. hat einen bösartigen Tumor. Kaum sichtbar war er, vermutlich ist er aufgrund seiner Lage direkt unter der Brustwarze schon länger dort. Ist nur bisher niemandem aufgefallen.

„Meine Welt ist zusammengebrochen.“ Damals im September 2019. Im Elisabethkrankenhaus in Leipzig wird sie operiert. Auch wenn ihr gesagt wird, sie habe keinen aggressiven Krebs, wird ihr die rechte Brust entfernt. Und auch fünf Lymphknoten. Trotz aller Vorsorge, ein Lymphknoten hat bereits Metastasen gebildet. Zudem fällt der Prognose-Test nicht gut aus: die Wahrscheinlichkeit, wieder an Krebs zu erkranken, ist laut des Testes recht hoch. „Dann kam das volle Programm.“ 16 Chemotherapien ab November 2019 bis April 2020 und 28 Bestrahlungen ab Mai 2020.

„So klein und harmlos hat alles angefangen. Ich kann es immer noch nicht fassen.“ Doch irgendwie schafft sie die Strapazen, stemmt die schwere Zeit. Dabei lässt sie wirklich (fast) nichts aus: „Ich habe alles mitgenommen: Magenprobleme, eine Gürtelrose, Furunkel, nach der zweiten Chemo habe ich meine Haare verloren. Und erschöpft war ich damals. Fatique hatte ich lange, manchmal bin ich heute noch müde, fühle mich schnell kaputt und bin unkonzentriert.“ Doch bis heute ist es noch ein Stückchen Weg.

Erst einmal ist da der Brustaufbau, der nicht gut geklappt hat. Noch während der OP bekommt Angela H. ein Silikonkissen eingesetzt. Während der Bestrahlung aber verändert sich die neue, künstliche Brust. „Wie eine dellische Kartoffel hat sie ausgesehen, wie eine Kartoffel mit unregelmäßigen Löchern, halt Dellen.“ Kurzum: Ihre rechte Brust sieht überhaupt nicht schön aus. Das bestätigt ihr auch die Chefärztin des Brustzentrums und sagt ihr mit Bedauern, dass sie eine von wenigen ist, bei der dies vorkommt. Alternativ gibt es jetzt den Plan, die Brust mit Eigengewebe aus dem Bauch oder dem Hintern aufzubauen. Aber: Angela H. ist sehr schlank und hat ebenso dünne Haut. Beides keine optimalen Voraussetzungen, um Gewebe zu verpflanzen. Sie zögert, überlegt, holt sich eine Zweitmeinung ein. Und hört wieder, dass sie dafür eher zu schlank ist. Hinzu kommt, dass sie seit über 25 Jahren Diabetikern ist, ihr Bauch eh schon die den Katheter und den Sensor der Insulinpumpe versteckt. Wenn dann dort noch Gewebe für die Brust abgetragen werden soll, wird es vielleicht zu eng auf dem flachen Bauch. Lange überlegt sie, ist eh mit den Bestrahlungen noch sehr beschäftigt. „Es war gut, dass dieser Prozess so lange gedauert hat. Heute weiß ich, dass ich von Anfang an gegen einen Aufbau war, so konnte mein Entschluss ganz in Ruhe reifen.“

Insgesamt ist sie noch sehr angegriffen. Vor allem erschöpft und kraftlos. Angela H. aber ist eine tapfere und starke Kämpferin. Dank ihrer Familie, ihrer Freunde, dank ihrer Kollegen und ihres Arbeitsgebers kommt sie gut über die Runden. Ihr Partner, ihre Tochter, ihr Enkelsohn stehen ihr eng zur Seite. Sowie ihr großer Freundeskreis. Ihre Schwester hat sich mit Angelas Freundinnen und Kollegen abgewechselt: Eine Suppe, ein Essen stand während der härtesten Zeit immer auf ihrem Herd.

Und es gibt immer wieder große Überraschungen. So wie die eines plötzlichen Festvertrages. Denn erst kurz vor der Erkrankung hatte Angela Höhne ihren Job gewechselt. Mit 56 Jahren hatte sie einen Quereinstieg gewagt. Von der Verkäuferin im Einzelhandel zur Kundenberaterin in einem Diabetes Fachgeschäft. Ihr neuer Arbeitgeber schenkt ihr zu Weihnachten 2019 einen Festvertrag. Da war sie erst kurz im Unternehmen und alle wussten, dass sie frisch an Brustkrebs erkrankt war. „Ich habe so viele unglaublich positive Sachen erlebt! So viele tolle Menschen haben mir in meiner schweren Zeit geholfen. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar! Und es hat mir geholfen!“

Das erste Mal aber so richtig wieder aufgetankt hat sie in Bad Elster. Von Juli bis August 2020 war sie hier. Ihre Wahl fiel gleich auf das sächsische Mineral- und Moorheilbad. Die Paracelsus Klinik war ihr von ihrer Ärztin sehr empfohlen worden. Eine top Behandlung plus tolle Natur drumherum, das hat Angela H. auf Anhieb gut gefallen. In den drei Wochen genießt sie die Anwendungen, geht so oft es geht, raus in den Park oder in den Wald. „Mir hat es so gutgetan, auf Gleichgesinnte zu treffen. Auf Frauen, die das gleiche wie ich durchgemacht haben. Wir brauchten keine großen Worte, um uns zu verstehen! Und ich habe mich mit meiner Krankheit nicht mehr alleine gefühlt“ Gestärkt fährt sie zurück in ihre Heimatstadt Leipzig. „Ich war wieder ein bisschen die Alte.“ Die Wiedereingliederung in den Job ab Oktober 2020 gelingt gut.

Im Juli 2021 wird das Implantat entfernt. Bis zur Achselhöhle hat sie rechts in Brusthöhe eine kleine Delle und eine Narbe. Schnell gewöhnt sie sich daran. „Ich liebäugle mit einem schönen Tattoo. Ich weiß, dass es tolle Tätowierer gibt, die sich auf Brustkrebspatientinnen spezialisiert haben.“ Das ist noch Zukunftsmusik, aber die Leipzigerin, die nicht nur gerne im See schwimmt, die auch ein großer FKK- und Sauna- Fan ist, geht ihren eigenen mutigen Weg. In der Sauna war sie schon wieder, gemeinsam mit ihrem Mann. „Ich bin nicht die Einzige, und wenn überhaupt jemand wahrnimmt, dass ich nur eine Brust habe, dann gehen alle damit freundlich und verständnisvoll um.“

Doch zurück. Kurz nach der OP im Juli 2021. Erst einmal ist sie vier Wochen krankgeschrieben. Es geht ihr so lala. Sie ist oft müde und kommt sie nur schwer damit klar, dass sie unkonzentriert ist. Aber das gehört dazu, denkt sie, immerhin ist sie fast 60 Jahre alt. Da darf das schon mal sein, besonders mit ihrer Geschichte. Sie wohnt nahe der Natur, wann immer es geht, geht sie raus, genießt die Wälder und Seen. Fährt viel Fahrrad oder steigt geplant ein, zwei Straßenbahn-Stationen früher aus, um den Heimweg zu Fuß zu machen. Frische Luft, ihr Leipzig, ihr Partner, ihre Familie, ihre Freunde und Kollegen unterstützen sie. Schritt für Schritt. Fit, also rundum gesund, ist sie aber nicht.

Und so kann sie noch einmal nach Bad Elster. „Ein bisschen war es wie ein Klassentreffen, das war schon lustig. Fünf, sechs Frauen habe ich wiedergetroffen.“ Am 5. August 2021 geht es los. Dieses Mal sind die Corona-Maßnahmen strenger, Sport geht nur mit Maske. Aber das ist nicht schlimm. „Ich wurde wunderbar umsorgt, alle haben sich um mich gekümmert, es war herrlich!“ Besonders toll war, dass sie neben der „Mamma-Gruppe“ auch in der „Osteo“- und der „Rückengruppe“ mitmachen durfte. Einmal das gesamte Wohlfühl-Paket – passend zu ihren Beschwerden. Von den Moorbädern schwärmt sie immer noch. Und von der Psychologin hat sie gute Tipps bekommen, auch wie sie mit ihrer Unkonzentriertheit im Alltag besser umgehen kann. Rundum war es sehr gut. So gut, dass sie heute insgesamt zufrieden ist – mit ihrem Leben, mit ihrer Krankheit. Drei Mal insgesamt darf sie: Angela Höhne freut sich jetzt schon auf ihre dritte Reha. Wo? Ja, wo schon? Hier in Bad Elster.