SehnSuchtblog
28. November 2022 

Do it!

“Süchtig nach Leben” – Jeder Weg in eine Abhängigkeit ist vielschichtig, facettenreich, sehr persönlich und individuell. Mit diesem SehnSuchtblog möchten wir die persönlichen Geschichten dahinter beleuchten, Suchttherapie-Möglichkeiten aufzeigen, bestärken, den Weg aus der Sucht zu gehen und Lebenslust versprühen. Denn: Das Leben ist schön, sogar wunderschön. Und zu schön, um es vom Suchtmittel beherrschen zu lassen.


Die berufliche Integration ist ein Fokusthema in unserer Adaption Paracelsus Berghofklinik II. Wir unterstützen unsere Patientinnen und Patienten dabei, ihre ersten Schritte in Richtung Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu gehen. Dafür ist ein sechswöchiges Betriebspraktikum ein wesentlicher Bestandteil der Therapiezeit in der Adaption. Die Praktikumsphase dient dazu, sich der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen wieder bewusst zu werden, aber auch eine realistische Einschätzung beispielsweise der eigenen Belastbarkeit, der Zuverlässigkeit oder der Frustrationstoleranz zu bekommen. Wir schauen uns in Gesprächen mit unseren Patientinnen und Patienten aber auch an, welche Einstellungen und Verhaltensweisen möglicherweise einer beruflichen Neuorientierung im Wege stehen. Für unsere Patienten ist das häufig ein schmaler Grad zwischen Euphorie über einen möglichen Neuanfang und Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und Stärken, die immer auch mit Ängsten und geringem Selbstvertrauen einhergehen. Es bedarf nicht selten einer großen Portion Mut, Vertrauen in die eigenen Stärken und den Willen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

Eine Vielzahl an kooperierenden Unternehmen und Einrichtungen machen es aber möglich, dass in die unterschiedlichsten Bereiche, Dienstleistungen und Berufe geschnuppert und Erfahrungen gesammelt werden können. So vielfältig wie die Einsatzmöglichkeiten sind, so vielfältig sind ebenso die Blickwinkel unserer Patientinnen und Patienten auf ihre Praktikumserfahrungen, ihre erlebten Hürden und ihre Aha-Momente.

Etwas Produktives leisten

Frau A., gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau, beispielsweise fragte sich mit Beginn ihrer Adaptionsphase, ob der Beruf noch das richtige für sie ist. Die Unsicherheit gestaltete die Praktikumssuche schwierig. Vielfach kamen Absagen zurück. In einem Supermarkt in Bad Essen hatte sie aber Glück und gleich am Folgetag ein Vorstellungsgespräch. „Ich war begeistert, wie offen wir miteinander umgehen konnten. Eine Chefin, die versteht, was Sucht bedeutet und wie schwierig es für Betroffene ist, mit dieser Sucht zu leben“, erzählt Frau A. begeistert von ihrem Vorstellungsgespräch. Von Anfang an habe sie sich wohl, verstanden und willkommen gefühlt. „Etwas Produktives zu leisten – ein großartiges Gefühl! Am Ende bekam ich eine wirklich gute Bewertung und ein Abschiedsgeschenk, viele aufmunternde Worte und die besten Wünsche für die Zukunft“, berichtet sie stolz.

Die eigenen Ausreden überlisten

Mit vielen Zweifeln und Ängsten hatte Frau N. gleich von Beginn an zu kämpfen und verschenkte viel Zeit. „Ich hatte viele Ängste, habe mich aber ehrlicherweise auch davor gedrückt einen Schritt nach vorne zu wagen. Schließlich war es nur ein Praktikum und ich wollte eh nicht in Bad Essen bleiben“, gesteht sie ehrlich. In ihren Augen lohnte es sich nicht, einen Job zu machen, auf den sie keine Lust hatte. Doch dann kam alles anders. Jetzt rät sie: „Man findet immer einen Grund, dass es nicht passt. Nicht der gewünschte Beruf, nicht der gewünschte Ort oder nicht passenden Aufgabenbereiche, aber am Ende des Tages ist das Gefühl, etwas geleistet zu haben, so großartig und kann ein Sprungbrett sein – wie bei mir. Also: Do it!“

Für Herrn B. war es fast wie ein neues Gefühl, gewohnte Arbeiten mit klarem Kopf zu erledigen und nicht wie rückblickend in den letzten Jahren vom Konsum benebelt. Sein Praktikum absolvierte er in einem Baumarkt. Neben Einsätzen im Wareneingang, verteilte er Waren in die Abteilungen, half beim Einsortieren und lernte alle Artikel Tag für Tag besser kennen. „Das war einfach ein schönes Gefühl Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen!“ erzählt er freudestrahlend.

Mein Ding – mit Menschen arbeiten

Die bestärkende und Halt gebende Wirkung spiegelt sich in allen Praktika wider. So auch bei Frau W. Als gelernte Erzieherin hat sie 20 Jahre in der Produktion gearbeitet, weil sie damals aus Panik ihr Einstellungsgespräch abgebrochen hatte. Mit der Zeit hat die Unterforderung sie krank gemacht. Ihr Weg in die Sucht begann. Durch ein Praktikum in einer Klinik hatte sie die Chance mit Patienten und Mitarbeitern zu sprechen und sich zu zeigen. „Ich bekam von allen Seiten die Rückmeldung, dass das genau mein Ding ist, mit Menschen zu arbeiten. Also habe ich mich bei einem Sozialen Träger beworben“, blickt Frau W. auf ihr Praktikum zurück. Ihre Bewerbung hatte Erfolg, nach der Adaption konnte sie eine neue erste Stelle im sozialen Bereich beginnen.

Einige von vielen ganz persönlichen Erfolgsgeschichten in der Adaption.