8. Oktober 2024 

Der Spirale von Überarbeitung entkommen

  • Welttag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober
  • Swetlana Schmied, Chefärztin der Paracelsus Berghofklinik, über Dauerstress am Arbeitsplatz und Strategien für einen resilienten Umgang.

Rund um den jährlichen Welttag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober findet in Deutschland die Woche der seelischen Gesundheit statt. Die Aktionswoche stellt die psychische Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt, gibt Informationen über psychische Erkrankungen und Hilfsangebote an die Hand und verfolgt das Ziel einer höheren Akzeptanz psychischer Erkrankungen. Unter dem Motto „Hand in Hand für seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz“ widmet sich die diesjährige Aktionswoche der seelischen Gesundheit insbesondere den Bedingungen im Arbeitsalltag mit Dauerstress und Personalmangel sowie den psychischen Auswirkungen. Psychosoziale Einrichtungen, Selbsthilfeorganisationen und Initiativen in ganz Deutschland gestalten das Programm mit.

Resilienz und ihre Schlüsselkomponenten

„In vielen Branchen ist chronischer Stress am Arbeitsplatz längst keine Ausnahme mehr“, hält Swetlana Schmied, Chefärztin der Paracelsus Berghofklinik in Bad Essen fest und unterstreicht damit die Bedeutung des diesjährigen Mottos. Umso wichtiger sei es, dass in Zeiten von Personalmangel Wege gefunden würden, resilient auf diese Herausforderungen zu reagieren, Belastungen zu reduzieren und die eigene Widerstandskraft zu stärken. „Die eigene Resilienz ist hier entscheidend“, erklärt Schmied weiter. Unter Resilienz verstehen Fachleute die psychische Widerstandsfähigkeit, trotz widriger Umstände Stress und Belastungen zu bestehen und gestärkt daraus hervorzugehen. „Resiliente Menschen verfügen über Strategien, die ihnen helfen, auch unter Druck gelassen zu bleiben und sich von Rückschlägen zu erholen.“ Es gäbe vier Schlüsselkomponenten, um resilient zu sein: Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit und soziale Unterstützung. Nicht alle Menschen verfügen per se über diese Schlüsselkomponenten, seien aber in der Lage sie zu erwerben.

Ursachen und Folgen von Dauerstress

Aus ihrem Arbeitsalltag heraus weiß Schmied um die Vielfältigkeit der Ursachen für Dauerstress in der Arbeitswelt, stellt aber insbesondere die Unter- und Überforderung sowie Multitasking, fehlende Erholungszeiten, hoher Erwartungsdruck oder den wachsenden Flexibilitätsdruck als mögliche Ursachen in den Vordergrund. „Ein häufiger Stressor ist aus meiner Erfahrung heraus unter anderem auch der Personalmangel. Der Arbeitsdruck steigt, weil mehr Arbeit von weniger Menschen erledigt werden muss.“ Ein Bild, was Schmied nicht selten von Patientinnen und Patienten in der Paracelsus Berghofklinik gezeichnet bekommt. Die Folge: Überstunden, Erschöpfung und das Gefühl, den Anforderungen nicht mehr gerecht werden zu können. Folgen, die physische und psychische Auswirkungen nach sich ziehen. Zu möglichen Folgen zählen Burnout mit einem Zustand der totalen Erschöpfung, gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie ein Leistungsabfall mit verminderter Kreativität oder Konzentrationsfähigkeit.

Das eigene Stresslevel senken

Um Dauerstress am Arbeitsplatz zu vermeiden und eine Resilienz zu entwickeln, können laut der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Strategien erlernt und angewendet werden. Eine Strategie sei es, Prioritäten zu setzen und Aufgaben zu delegieren. „Stressige Zeiten erfordern es, Prioritäten zu setzen und sich auf die dringlichsten Aufgaben zu konzentrieren. Dabei ist es ebenso wichtig, Aufgaben zu delegieren und Unterstützung anzunehmen, um die eigene Arbeitslast zu reduzieren“, verdeutlicht Schmied. Als weitere Strategie benennt Schmied eine gesunde Work-Life-Balance mit einer klaren Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. „Bewusste Pausen und ausreichend Zeit für Entspannung und Hobbys nach Feierabend sind hier essenziell.“ Des Weiteren können ein durchdachtes Zeitmanagement und eine strukturierte Tagesplanung dabei helfen, nicht in eine Spirale von Überarbeitung zu geraten. „Achtsamkeit und Stressmanagement-Techniken sind ebenfalls Strategien, um Dauerstress zu vermeiden. Auch unsere Patientinnen und Patienten werden an Techniken wie Achtsamkeit, Medikation oder progressive Muskelentspannung herangeführt, um den Körper zu entspannen und den Geist zu beruhigen“, erläutert Schmied weitere Methoden, um das eigene Stresslevel zu senken.

Kommunikation als Schlüssel

Ebenso wichtig wie essenziell bewertet Schmied den Faktor Kommunikation. „In meinen Augen ist eine offene Kommunikation der Schlüssel, um Personalmangel und die damit verbundene Mehrbelastung gemeinsam zu bewältigen.“ Klare und realistische Erwartungen sollten zwischen Vorgesetzen und Kollegen besprochen werden, um Überlastungen zu vermeiden. Als letztes bringt sie den Faktor „soziale Unterstützung“ ein. Es sei wichtig, sich auf ein Netzwerk von Kollegen, Freunden und der Familie verlassen zu können. „Gerade der Austausch über Herausforderungen kann Entlastung bieten und neue Perspektiven eröffnen.“ Doch nicht nur der Einzelne selbst, auch das Unternehmen spielt bei der Überwindung von Dauerstress und der Förderung von Resilienz eine zentrale Rolle. Mit Investitionen in die betriebliche Gesundheitsförderung, einer unterstützenden Führungskultur und Förderung des Zusammenhalts und der Teamfähigkeit können seitens des Arbeitsgeber Leitplanken geschaffen werden.

Ein Thema, das bleibt

„Schlussendlich werden uns die Themen Dauerstress und Personalmangel weiterhin begleiten, es liegt jedoch an uns, wie wir darauf reagieren“, blickt Schmied abschließend auf das Motto der diesjährigen Aktionswoche. Mit der richtigen Mischung aus Selbstfürsorge, strukturiertem Arbeiten und sozialer Unterstützung hätten wir die Möglichkeit, resilient zu bleiben und die Herausforderungen zu bewältigen. Eine der Wichtigsten Botschaften lässt sich hier festhalten: „Trauen Sie sich, Probleme anzusprechen, Hilfe ggf. anzunehmen und handeln Sie proaktiv, um nicht nur als Einzelperson, sondern auch als Teil eines Teams gesund und leistungsfähig zu bleiben!“