Paracelsus Harzklinik Bad Suderode erweitert Therapiespektrum und Behandlungskapazitäten in der Post-Covid-Rehabilitation
Pneumologie Chefarzt Dr. med. Stefan Schwarz bietet interdisziplinäre Behandlung für Spätfolgen der Pandemie an
Bereits rund 150 Patienten überwiegend aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen behandelt.
Kaum eine Region in Deutschland hat so unter den Folgen der Pandemie gelitten wie die Bundesländer Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Mittendrin: die Paracelsus Harzklinik Bad Suderode südlich von Quedlinburg. Hier arbeiten Chefarzt Dr. med. Stefan Schwarz und sein Team in der Pneumologie gegen die Spätfolgen der Pandemie. „Die dritte Welle der Infektion ist vorbei, aber bei uns geht es jetzt erst richtig los”, erklärt der Mediziner. Die Folgen sind zum Teil dramatisch”. Bereits 150 Patienten, die an den Spätfolgen einer Corona-Erkrankung leiden, hat er in diesem Jahr an der Fachklinik für Rehabilitation behandelt. Aber der Strom der Patienten reißt nicht ab. Und immer wieder gibt es neue Arten von Spätfolgen und auch neue Erkenntnisse zu den Zusammenhängen. Mittlerweile hat die Abteilung Pneumologie eine Auslastung von 150 Prozent erreicht, interdisziplinär werden andere Stationen belegt und Patienten der Pneumologie dort aufgenommen. Dazu kommen nun verstärkt auch wieder reguläre Patienten, die wegen Asthma, Pneumonien und anderer Lungen- oder Atemwegserkrankungen aus den Kliniken in die Reha verlegt werden.
Versorgungslücken drohen
„Ich bin mit meiner Abteilung eigentlich auf Erkrankungen der Atemwege spezialisiert”, erklärt Dr. Schwarz. „Darunter fallen auch die typischen Folge-Symptome einer überstandenen Sars-Cov-2–Infektion wie Brustenge und Atembeschwerden. Aber die Patienten, die zu uns kommen, haben weitaus mehr Symptome als die bekannten Funktionsstörungen der Atmungsorgane.” Ob langanhaltende Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, chronische Müdigkeit, Wortfindungsstörungen, Schwindel oder Schmerzen – das Spektrum der „Krankheit nach der Krankheit” ist groß und die Patienten kommen mit lang anhaltenden Beschwerden in die Rehabilitation. Begleiterkrankungen im Herz-Kreislauf-System, im neurologischen oder psychischen Bereich sind an der Tagesordnung. Mittlerweile unterscheiden die Experten zwischen dem sogenannten Post-Covid-Syndrom mit Spätfolgen, die mehr als 12 Wochen nach der Infektion dauern, und dem sogenannten Long-Covid mit Folgen, die ab 4 Wochen nach akuter Infektion unabhängig von der Dauer weiter bestehen. Möglicherweise, so Dr. Schwarz, müsse man sich auch auf ambulante Behandlungen in der Nachsorge mancher Patienten über Monate oder Jahre einstellen. „Das Problem ist, dass nach dem Aufenthalt in der Rehaklinik für die Patienten derzeit nichts mehr kommt”, kritisiert der Arzt. „Da entsteht eine große Versorgungslücke gerade für Patienten, die zum Beispiel wegen neurologischer Einschränkungen und allgemeinen Leistungsdefiziten auch nach der Reha weiter therapiert werden müssen.”
Ganzheitlich umfassende Behandlung
„Zum Glück ist unsere Rehabilitation interdisziplinär und ganzheitlich angelegt”, weiß der Chefarzt der Pneumologie. Gemeint ist damit vor allen Dingen die Abteilung Kardiologie in Bad Suderode unter deren Chefarzt apl. Prof. Dr. med. habil. Axel Schlitt, MHA mit dem Dr. Schwarz fachübergreifend eng zusammenarbeitet. Die Klinik in Bad Suderode hat darüber hinaus seit Jahresbeginn Stück für Stück ihr Therapiespektrum erweitert, um die Patienten umfassend behandeln zu können. Neben erweiterten physiotherapeutischen Therapien gibt es nun auch eine psychologische Gesprächsgruppe, ein spezielles Hirnleistungstraining und sogar ein Schlafapnoe-Screening für die häufig auftretenden Schlafstörungen. Dabei legt die Klinik großen Wert auf ein individuell an den Bedürfnissen des Patienten ausgerichtetes Programm. Von Anfang an werden alle Symptome systematisch erfasst, insbesondere die Aspekte des weit verbreiteten chronischen Erschöpfungssyndroms. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Training der Hirnleistung, um Konzentrationsstörungen entgegenzuwirken und die Gedächtnisfunktion zu unterstützen. Mithilfe einer neu angeschafften neurologischen Software lassen sich hier künftig an mehreren Arbeitsplätzen Defizite genau feststellen und gezielt trainieren. Gleichzeitig gehen die Psychologen des Hauses in Einzel- und Gruppengesprächen auf die spezifischen Störungen der Patienten ein. Bei entsprechender Indikation bietet die Klinik darüber hinaus die gesamte Lungen-funktionelle und nicht invasive kardiale Diagnostik an. Insgesamt drei Wochen dauert die Rehabilitation mit einer zusätzlichen Option auf Verlängerung. „Zum Teil sind die Erfolge dabei sehr rasch zu sehen, zum Teil muss eine längere Rekonvaleszenz erfolgen, bis die Rückkehr in den beruflichen Alltag wieder möglich ist”, erklärt Dr. Schwarz. Stück für Stück nähere man sich aber bei jedem Patienten irgendwann dem Ziel an, die körperliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen, die Psyche zu stabilisieren und eine Rückkehr in den Alltag zu Familie und Beruf zu erreichen.
Pionierarbeit erforderlich
Flexibilität heißt dazu derzeit in der Paracelsus-Harzklinik Bad Suderode das Gebot der Stunde. Damit hat sich das Haus in den vergangenen Monaten einen guten Namen gemacht. „Wir arbeiten in der Klinik alle Hand in Hand, sehen fast täglich neue Zusammenhänge und helfen unseren Patienten wo es geht”, so Dr. Schwarz. „Das ist zum Teil echte Pionierarbeit. Wir müssen unsere Behandlungsmethoden permament den Erfordernissen der diagnostizierten Störungen neu anpassen.” Um diese Herausforderung zu schaffen, pflegt man vom Harz aus unter anderem einen engen wissenschaftlichen Austausch mit der Covid-19-Sprechstunde von Dr. med. Isabell Pink in der Abteilung von Prof. Dr. med. Tobias Welte, dem Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und anderen pneumologischen Reha-Fachklinken. „Wir wollen hier im engen Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen die Behandlung langfristig stetig weiter verbessern”, so Dr. Schwarz. Das Schönste aber sei, so der Chefarzt, wenn man es geschafft habe, seinen Patienten zu helfen. „Unsere Patienten sind zum Teil wirklich extrem dankbar für das, was wir hier tun”, resümiert der Mediziner. „Viele von ihnen sind mit ihren Beschwerden überhaupt nicht ernst genommen worden und haben einen langen Weg hinter sich, bevor Sie bei uns aufgenommen werden. Dazu kommt, dass so spezielle Behandlungsmöglichkeiten wie sie bei uns geboten werden, generell noch nicht überall verfügbar sind. Wer zu uns kommt, hat oft einfach das Gefühl, Glück gehabt zu haben.”