„Süchtig nach Leben” – Jeder Weg in eine Abhängigkeit ist vielschichtig, facettenreich, sehr persönlich und individuell. Mit diesem SehnSuchtblog möchten wir die persönlichen Geschichten dahinter beleuchten, Suchttherapie-Möglichkeiten aufzeigen, bestärken, den Weg aus der Sucht zu gehen und Lebenslust versprühen. Denn: Das Leben ist schön, sogar wunderschön. Und zu schön, um es vom Suchtmittel beherrschen zu lassen.
Eine Adaptionsmaßnahme im Anschluss an eine stationäre Entwöhnungsbehandlung unterstützt suchtkranke Patientinnen und Patienten dabei, den Therapieerfolg unter realen Alltagsbedingungen zu verfestigen und den Übergang in einen suchtmittelfreien Alltag zu bewältigen. Insbesondere Praktika spielen im Laufe der Adaptionsmaßnahme eine maßgebliche Rolle. Aber was, wenn Patientinnen und Patienten trotz unermüdlicher Bemühungen keinen Platz finden? Eine Patientin hat uns Einblick in ihre erfolglose Suche für ein Praktikum im Verwaltungsbereich gegeben, die sie dennoch nicht entmutigt.
Frau K. kam vor rund zwölf Wochen nach Bad Essen in die Adaption. Zuvor war sie in Rostock für ihre stationäre Entwöhnungsbehandlung. Es ist bereits ihre zweite Entwöhnung mit anschließender Adaptionsmaßnahme. Bei ihrer ersten Adaption in Berlin hat Frau K. mit viel Glück und über Beziehungen einen Platz für ein Praktikum im Verwaltungsbereich bekommen. Im Anschluss folgte eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement.
„Im Rahmen meiner zweiten Reha habe ich mich bewusst für eine zweite Adaptionsmaßnahme entschieden, weil ich das Kleinstadtleben erleben und schauen wollte, wie es mir damit geht. Ich komme aus Berlin und kenne nur das Großstadtleben“, erläutert Frau K. ihre Entscheidung für eine zweite Adaptionsmaßnahme. Hinzu komme, dass sie in die zweite Reha mit mehr Orientierung und einem Plan gegangen sei, verbunden mit der Hoffnung, während der Adaptionszeit in Bad Essen mindestens ein Praktikum absolvieren zu können. „Außerdem wollte ich fitter werden und mehr Antrieb bekommen, weil es mir schwer fällt durch meine begleitende Depression einen geregelten Tagesablauf einzuhalten.“
Praktikumssuche erfolglos
Doch Frau K. wurde sehr schnell auf den Boden der Tatsachen gebracht: Ein Praktikum im Verwaltungsbereich wird sehr schwierig – auch mit einer abgeschlossenen Ausbildung! Zusammen mit dem Therapeutenteam der Adaption wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um für Frau K. einen Praktikumsplatz zu organisieren. Von Blumenladen bis hin zu Gemeinden, Sozialeinrichtungen, Bibliotheken, Schulen oder Steuerbüros – keine Branche wurde ausgelassen. „Mein Therapeut hat mich sehr darin bestärkt, meinen Weg weiterzugehen und trotz bislang erfolgloser Versuche, das zu machen, was mir einen Mehrwert bringt“, blickt Frau K. auf die letzten Wochen zurück. Mit dem bitteren Ergebnis: Bis zuletzt ist die Praktikumssuche im Verwaltungsbereich erfolglos geblieben, Frau K. konnte keinen Praktikumsplatz für sich finden.
Persönliches Gespräch als Türöffner
Ihrer Einschätzung nach war es weniger ihr Aufenthalt in der Adaption, der die Praktikumssuche erfolglos machte. „Ich habe in Berlin ähnliche Erfahrungen gemacht. Praktika im Verwaltungsbereich sind rar gesät.“ Vielmehr erhielt Frau K. aufgrund anstehender Ferienzeiten, Umstrukturierungen oder bereits vorhandener Praktikanten bzw. Azubis Absagen für einen Platz. „Als Begründung kam letztlich immer etwas anderes.“ Rückblickend hätte sich Frau K. gerne etwas mehr Entgegenkommen seitens der Unternehmen gewünscht, zumindest ein persönliches Gespräch, in dem sie für sich Erfahrungen hätte sammeln können. „Ein persönliches Gespräch hätte mir die Gelegenheit gegeben, zu schauen, wie ich mich in solchen Situationen fühle, hätte eigene Unsicherheiten angehen können. Und sicherlich gibt ein persönliches Gespräch die Gelegenheit, die Erwartungen auf beiden Seiten zu besprechen und Vorurteile auszuräumen, um doch noch einen gemeinsamen Weg zu finden. Die Chance hätte ich mir gewünscht.“ An dieser Stelle möchte Rieke Kuhlmann, sozialpädagogische Leitung der Adaption, betonen: „Gerade Suchtkranke sind im Job sehr bemüht, eben weil sie das Gefühl haben, etwas wieder gutmachen zu müssen. Sie wollen sich profilieren, um den Stempel „Suchterkrankung“ auf der Stirn auszugleichen.“ Aus ihrer Erfahrung heraus sind Suchtkranke qualifizierte, motivierte und dankbare Mitarbeitende, die froh seien, dass sie den Weg zurück in die Normalität schaffen. Umso dankbarer seien sie um eine Chance für ein Praktikum oder Job.
Den zukünftigen Patientinnen und Patienten wünscht Frau K., dass ihr Erfahrungsbericht dazu beiträgt Unternehmen für Praktika im Verwaltungsbereich zu gewinnen. Dann hätten ihre Erfahrungen doch noch einen positiven Aspekt.
Das Ziel klar vor Augen
Und wie geht es für Frau K. weiter? In wenigen Tagen geht es zurück nach Hause, nach Berlin. Vor Ort hat sie eine Wohnung im betreuten Wohnen und ihre Nachsorge-Anbindung. Auch wenn sich Frau K. im Laufe der Adaptionszeit in Bad Essen soziale Kontakte aufgebaut hat, hält sie nichts in Bad Essen. Schließlich fehlen dazu der Job und die Wohnung. „Für meine Rückkehr muss ich mich jetzt noch um eine Anbindung vor Ort kümmern. Ich plane unter anderem ein zweiwöchiges Bewerbungstraining zu machen. Ziel ist es, dass ich wieder in einen Job komme, vielleicht über ein Praktikum. Leider resigniert man mit solchen Erfahrungen sehr schnell, aber ich gebe mein Ziel nicht auf“, gibt sich Frau K. zielstrebig. Ihr Therapeut habe für ihre aktuelle Situation eine sehr passende Verbildlichung gefunden: Sie befinde sich nun auf einer Aussichtsplattform, die sie mit viel Anstrengung erklommen habe. Von oben schaue sie runter und sehe, was alles möglich sei, aber momentan nicht erreichbar.
Abschließend ist Frau K. noch eine Botschaft besonders wichtig zu betonen: „Suchtkranke sind krank. Suchterkrankung ist eine Krankheit, aber wir sind ganz normale Menschen!“
Anmerkung der Redaktion: Kurz vor Therapieende hat Frau K. zur Freude aller doch noch einen Praktikumsplatz in einem Steuerbüro gefunden. Frau K. berichtet, dass ihre Ansprechpartnerin im Praktikum sehr engagiert sei, sich viel Zeit nehme, um alle Vorgänge genau zu erklären und sie sehr viel mitnehmen könne.