Der zunehmende Fachkräftemangel ist auch im medizinischen Bereich spürbar. Viele Kliniken kämpfen, ausreichend gutes und geeignetes medizinisches Fachpersonal zu bekommen. Im Klinikbereich hat man als Arzt die Wahl zwischen einer Tätigkeit im Akut- oder Reha-Bereich. Doch gerade junge Ärztinnen und Ärzte haben ein falsches Bild von der Arbeit eines Arztes in einer Reha-Klinik. Doch der ganzheitliche Ansatz, eine gute Work-Life-Balance und die Möglichkeit zur Weiterbildung und Forschung, machen die Reha für Mediziner durchaus attraktiv, wie PD Dr. Holger G. Hass, Chefarzt der Paracelsus Klinik Scheidegg, in einem Interview erklärt.
Herr Dr. Hass, woraus bestehen die Aufgaben eines Arztes im Reha-Bereich?
Hass: Das Schöne an unserer Arbeit in der Reha ist, dass wir über längere Zeit unsere Patientinnen und Patienten ganzheitlich und Teilhabe-orientiert behandeln können. Das ist genau das, was Patienten heute bei Ihrem Haus- und Facharzt zunehmend vermissen.
Was erwartet einen Arzt im Reha-Bereich?
Hass: Eine spannende Arbeit in einem großen Team mit unterschiedlichen Spezialisten, wie Sport-, Ergo-, Lymphtherapeuten, Sozialarbeitern und Psychoonkologen. Auf diese Weise lernt man das Gesundheits- und unser Sozialsystem von einer ganz anderen Seite kennen. Zudem lernt man den Patienten nicht nur in einer Fachdisziplin, sondern in seiner körperlichen und psychischen Gesamtheit kennen. Das macht die Reha für Mediziner attraktiv!
Was sind die hauptsächlichen Tätigkeiten eines Arztes in einer Reha-Klinik?
Hass: Die individuelle Betreuung unserer Patienten, die nach schwerer Krebserkrankung und -therapie mit einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Belastungen aufgenommen werden. Die Ärzte in der Reha arbeiten weitgehend ärztlich selbstständig, aber dennoch in einem großen Team mit weiteren Spezialisten, die alle das gleiche Ziel haben – die Patientin bzw. den Patienten wieder „fit“ für sein weiteres Leben zu machen.
Ganzheitlicher Ansatz der Reha für Mediziner attraktiv
Was macht die Arbeit in einer Rehabilitationsklinik aus beziehungsweise besonders?
Hass: Die ganzheitliche Arbeit mit vielen Facetten der gesamten Medizin. Aber vor allem, dass man sich auch mit den sozialen Auswirkungen und der Prävention von Krankheiten beschäftigen kann. Im Akut-Bereich muss man sich auf einen immer kleineren Fachbereich fokussieren.
Welche Vorteile bietet das Arbeiten im Reha-Bereich? / Warum ist die Tätigkeit als Arzt in einer Reha-Klinik interessant?
Hass: Aus den fachlich oben angeführten Gründen. Zudem ist es einfach schön, Patienten über eine längere Zeit betreuen zu können und zu sehen, wie sie sich in der Reha erholen. Zudem ist die Arbeit bzw. das Arbeitsaufkommen in der Reha besser planbar und transparenter. Daher ist die Arbeit in einer Reha-Klinik auch gut möglich, wenn man, z.B. aus familiären Gründen, in Teilzeit arbeiten möchte. Zudem liegen die Reha-Kliniken meist in sehr schönen, attraktiven Regionen, sodass man in der Freizeit viel unternehmen und erleben kann.
Wo liegen Unterschiede zum Akutbereich? Welche Vorurteile haben Ärzte gegenüber dem Reha-Bereich bzw. Reha-Kliniken?
Hass: Wie bereits erwähnt, arbeiten wir nach meiner Erfahrung in der Reha ganzheitlicher. Uns interessiert mehr, welche Folgen Krankheit für ein selbstbestimmtes Leben hat. Kollegen im Akut-Bereich wissen oft nicht, welche Ziele eine Rehabilitation verfolgt und was wir durch eine Reha erreichen können, obwohl die Effekte einer Reha seit Jahren wissenschaftlich belegt sind. Zudem denken manche Kollegen, dass Reha langweilig ist und wenig mit Medizin zu tun hat. Das stimmt aber ganz und gar nicht. Neben einer vielfältigen Diagnostik können wir in der onkologischen Reha sogar die Chemotherapie, wenn nötig, fortsetzen.
Was würden Sie einem jungen Arzt empfehlen? Akut oder Reha?
Hass: Es ist sinnvoll, den Beginn der Facharzt-Ausbildung im Akutbereich zu verbringen, da man auch in der Reha zumindest in den Grundkenntnissen der Allgemeinmedizin Erfahrung benötigt. Aber ab dem 3. Ausbildungsjahr kann die Rehabilitation eine sehr gute und spannende Alternative zur Akut-Klinik darstellen.
Gute Work-Life-Balance in der Reha
Stimmt die Work-Life-Balance in einer Reha-Klinik?
Hass: Die Arbeit in einer Reha-Klinik ist gut planbar. Wir haben keine Notaufnahme und weniger Bereitschaftsdienste. In Scheidegg haben wir außerdem diese wunderschöne Umgebung, die viele Freizeitaktivitäten bietet. Daher ist die Work-Life-Balance hier sehr gut.
Was unterscheidet die Paracelsus Klinik Scheidegg von anderen Kliniken?
Hass: Wir sind eine hochspezialisierte Klinik und auf unserem Gebiet daher deutschlandweit bekannt. Wir haben ein sehr erfahrenes Fachärzteteam, können onkologische Therapien durchführen und sind aktiv in der Rehabilitationsforschung tätig. Zudem können junge Kolleginnen und Kollegen bei uns einen Teil ihrer Weiterbildung zum Facharzt absolvieren. Und dann haben wir natürlich die wunderschöne Gegend des Westallgäus mit Bergen und Seen direkt vor der Haustür!
Warum sind Sie zurück in die Paracelsus Klinik Scheidegg gegangen?
Hass: Weil die Klinik nach meiner Meinung nach eine hervorragende Klinik mit einem hochkompetenten Team ist und durch ihre jahrzehntelange Spezialisierung auf die Onkologie einen exzellenten Ruf hat. Zudem hat mich die Möglichkeit gereizt, unsere Reha-Forschung fortzusetzen. Natürlich gab es auch familiäre Gründe, die Nähe zur Heimat und die schöne Gegend, in der ich nun wieder lebe und arbeite.
Was bietet Paracelsus einem Arzt bzw. generell Mitarbeitenden?
Hass: Eine vielseitige, ganzheitliche und sinnstiftende Arbeit in einem sehr qualifizierten, interdisziplinären Team mit Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten!