SehnSuchtblog
21. August 2023 

Ich bin stolz auf mich!

“Süchtig nach Leben” – Jeder Weg in eine Abhängigkeit ist vielschichtig, facettenreich, sehr persönlich und individuell. Mit diesem SehnSuchtblog möchten wir die persönlichen Geschichten dahinter beleuchten, Suchttherapie-Möglichkeiten aufzeigen, bestärken, den Weg aus der Sucht zu gehen und Lebenslust versprühen. Denn: Das Leben ist schön, sogar wunderschön. Und zu schön, um es vom Suchtmittel beherrschen zu lassen.


Bereits vor knapp fünf Jahren war Frau S. für eine stationäre Entwöhnung und anschließende Adaptionsmaßnahme in den Bad Essener Suchteinrichtungen. Nun absolvierte sie erneut eine Therapie in der Adaption Paracelsus Berghofklinik II. Mit welchen Herausforderungen sie nach ihrer ersten Therapie gekämpft hat, über ihren Veränderungsprozess, mit welchen Gefühlen sie die erneute Adaptionsmaßnahme angetreten ist und wie ihre Pläne für die Zukunft aussehen, hat Frau S. in einem ehrlichen Rück- und Ausblick erzählt.  

Akzeptanz der Suchterkrankung

Während und auch nach ihrer ersten Therapie war es mit die größte Herausforderung für sich zu akzeptieren, dass sie wirklich suchtkrank ist. „Ich hatte immer den Gedanken, dass ich jetzt eine zeitlang aufhöre und dann hin und wieder etwas trinken kann“, gibt Frau S. offen zu. Das habe natürlich nicht geklappt. Jetzt weiß sie: Die Erkrankung wird sie ein Leben lang begleiten. Besonders im Bekanntenkreis, der weiterhin viel getrunken hat, sei es schwierig gewesen, ihr Standing zu halten und nach außen stark zu bleiben. Sprüche wie „Ach, bei einem Bier passiert schon nichts“ waren keine Seltenheit. Die anfängliche Standfestigkeit bröckelte mit eintretenden Schicksalsschlägen, die ihr den Boden unter den Füßen wegrissen. Rückblickend gesteht sie sich zudem ein, dass ihre Standfestigkeit zu dem Zeitpunkt grundsätzlich noch nicht so ausgeprägt gewesen sei. „Ich war noch nicht bereit und hatte immer im Hinterkopf, dass es vielleicht doch klappt mit dem kontrollierten Trinken.“ Hinzu kommt, dass sie ihre erste Adaptionsmaßnahme in einer Nacht- und Nebelaktion zusammen mit ihrem damaligen Partner abgebrochen hatte. Ab da ging die Abwärtsspirale los. Der Prozess zu merken, dass es nicht mehr geht, hat allerdings vier bis fünf Jahre gedauert und brauchte einen Schlüsselmoment. „Ich musste mich von ganz unten wieder hochkämpfen und habe mehrere Etappen hinter mir.“

Therapieantritt mit klaren Vorsätzen

Die zweite stationäre Entwöhnung, die Frau S. bewusst in einer reinen Frauenklinik absolvierte, ist sie mit einem ganz klaren und veränderten Vorsatz angetreten. Neben dem Bewusstsein, dass kontrolliertes Trinken nicht funktionieren wird und eine Abstinenz der einzige Weg ist, war ihr Ziel, den Kontakt zu ihrer Familie und ihren drei Kindern wieder langfristig aufzubauen. Vor Therapieantritt habe sie nach längerer Zeit wieder Kontakt zu ihrer Familie gehabt, was ein schönes Gefühl war. Insbesondere ihre Schwester, die selbst erfolgreich abstinent lebt, habe sie Stück für Stück zurück in die Familie gebracht und ihr die Chance gegeben, Dinge mitzuerleben und wieder am Familienleben teilzuhaben. Neben Geschichten und Bildern über ihre eigenen Kinder habe die Schwester sie quasi mit positiven Dingen überflutet. Eine richtige Wohltat und ein Weckruf „Jetzt musst du aufhören, sonst klappt das nicht mehr!“. Auch der Kontakt zu den Kindsvätern verlief besser als erwartet und nahm ihr Ängste.

Schritt für Schritt zum Ziel

Rückblickend sagt Frau S.: „Bei meiner ersten Therapie war ich in meinem alten Leben gefangen, konnte noch nicht loslassen. In meiner zweiten Therapie habe ich nun ein ganz anderes Standing und verfolge straight meinen Weg. Ich weiß, was mir guttut. Dabei gehe ich Schritt für Schritt vor, mache alles ganz in Ruhe, damit ich nicht stolpere.“ Die notwendige Geduld war allerdings ein Prozess mit positiven Lernerfolgen. Themen und Inhalte Schritt für Schritt anzugehen, abzuschließen und aufzuarbeiten, war wichtig. „Ich konnte den berühmten Schlussstrich ziehen und altes Gepäck in der Therapie loslassen“, resümiert sie ihre zweite Entwöhnungsbehandlung. Als Beispiel nennt sie ihren Umgang mit Suchtdruck. Früher hätte sie Suchtdruck direkt nachgegeben. Heute weiß sie, dass er eine gewisse Zeit andauert und sie ihn aushalten muss. In gewisser Weise eine Quälerei, die sich aber auszahlt.

Gefühle der ersten Therapie überschreiben

Von Anfang an stand für Frau S. fest, dass sie ein zweites Mal in die Adaption nach Bad Essen möchte. „Ich habe hier gute Erfahrungen gemacht, auch wenn ich damals die Therapie abgebrochen habe.“ Hinzu komme, dass ihre Familie in der Nähe wohne, sie die Gegend kenne. „Ich wollte dahin, wo ich mich ein bisschen auskenne und wo ich an meinen Themen anknüpfen kann“, erklärt sie weiter. Die Therapie habe sie mit Nervosität und Aufregung angetreten, da nicht klar war, wie die Mitarbeiter vor Ort auf sie reagieren würden. Sie plagte ein schlechtes Gewissen durch den holprigen Abbruch der ersten Therapie. „Mein Wunsch war es, mein Gefühl der ersten Therapie und mein schlechtes Gewissen zu überschreiben. Ich wollte nicht für ewig Bad Essen mit einem komischen Gefühl verbinden.“ Ein Schritt, der von Stärke zeugt, schließlich ist es einfacher, vor negativen Gefühlen und einem schlechten Gewissen davon zu laufen, als sich ihnen zu stellen.

Im Vergleich zur ersten Therapie fühlt sich Frau S. aktuell in der Adaption sicherer und wohler. Sie habe keine Angst vor der Zukunft und sei sich sicher, dass sie es schaffe. Lange habe sie das Gefühl gehabt, sie tue nur Dinge, die andere von ihr wollen. Jetzt mache sie das, was sie will. Das mache sie stärker als je zuvor. „Heute kann ich selbstbewusst auftreten, weil ich ein Ziel verfolge, hinter dem ich stehe. Früher wollte ich nach außen immer die Erwartungen erfüllen“, bringt sie ihre aktuelle Gefühlslage auf den Punkt.

Blick in die Zukunft

Ihr Plan für die Zukunft: Sie möchte im Osnabrücker Raum, nah bei ihrer Familie und ihren Kindern bleiben. Aktuell absolviert sie ein Praktikum in einer Pflegeeinrichtung, für die sie bereits eine Zusage für eine Ausbildung zur Pflegeassistentin hat. Lediglich der Schulplatz fehlt noch. Die Bewerbungen dafür sind schon auf den Weg gebracht und somit die Weichen für die Zukunft gestellt. „Mich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, war eine ganz neue Erfahrung und Herausforderung für mich.“ Notwendige Dinge zu organisieren und zu koordinieren, erzeugte zunächst Stress bei ihr, den sie aber sehr gut selbst regulieren konnte. Insbesondere diese Stresssituationen würden ihr sehr deutlich ihre Schwachstellen aufzeigen, bestärkten aber auf der anderen Seite ihre Strategie, Themen Schritt für Schritt bis zum Erfolg anzugehen..

Abschließend kann sie heute mit Überzeugung sagen: Es ist kein Verzicht, sondern es tut ihr gut, keinen Alkohol zu konsumieren. Es ist ein Gewinn und eine Bereicherung, nicht zu konsumieren. Sie fühlt sich besser, ist klarer und bekommt ihr Leben besser in den Griff. „Und im März diesen Jahres bin ich fast ein Jahr trocken. Dass macht mich stolz!“