Ein Kratzen im Hals, eine schniefende Nase – eine Grippe bahnt sich an. Oder ist es doch nur eine einfache Erkältung? Laut RKI sind dieses Jahr bereits 34 % mehr Menschen von einer Grippe oder Erkältung betroffen als zur selben Zeit in den Jahren zuvor. Wissenschaftler*innen warnen vor einer Rekordsaison. Was als harmlose Virusinfektion beginnt, kann schlecht auskuriert Lunge und Herz langfristig schaden und im schlimmsten Falle tödlich enden. Prof. Dr. med. Axel Schlitt, leitender Chefarzt und Chefarzt für Kardiologie und Diabetologie der Paracelsus Harzklinik Bad Suderode erklärt, warum im Herbst so viele Menschen an einer Erkältung oder Grippe leiden, und wie man sich am besten vor Komplikationen und Folgeschäden schützt. Eine aktuelle Grippe-Impfung verringert das Risiko einer Infektion um 90 % und beugt schwere Krankheitsverläufe vor.
Der Herbst: Grippe- und Erkältungssaison
„In der kalten Jahreszeit erkranken wir häufiger. Heizungsluft, unangepasstes Verhalten in der Kälte, wenig Bewegung und der vermehrte Aufenthalt in geschlossenen Räumen stellen eine Belastung des Immunsystems dar“, erklärt Prof. Schlitt.
Durch die niedrigen Temperaturen kühlen die Nasen- und Rachenschleimhäute ab. Die Gefäße ziehen sich zusammen, wodurch die Schleimhäute schlechter durchblutet werden. Die Immunabwehrzellen reagieren langsamer und die Krankheitserreger können leichter in die Schleimhäute eindringen. Gleichzeitig halten sich viele Menschen bevorzugt in geschlossenen und beheizten Räumen auf. Die Heizungsluft trocknet die Schleimhäute aus, wodurch diese anfälliger für Bakterien und Viren werden. Mangelnder Luftaustausch belastet die Atemwege und führt bei engem Kontakt zu Menschen zu einer schnelleren Übertragung von Krankheitserregern. Daher sollte man regelmäßig lüften und an der frischen Luft spazieren gehen. Zur Befeuchtung der Innenraumluft eignet sich ein Luftbefeuchter. Alternativ kann eine Schale mit Wasser auf die Heizung gestellt werden. Jedoch ist bei beiden Maßnahmen auf eine sorgfältige Hygiene zu achten, damit keine Feuchtkeime in den jeweiligen Wasserreservoirs entstehen.
Erkältung oder Grippe?
Eine Erkältung, auch grippaler Infekt genannt, ist eine akute Virusinfektion der oberen Atemwege. Erste Anzeichen sind Schnupfen, Halsschmerzen und Husten. Oft haben Erkältete Glieder- und Kopfschmerzen und eine leicht erhöhte Körpertemperatur. Anders als bei einer Grippe, steigt diese jedoch meist nicht über 38,5 Grad Celsius. Ein weiteres Merkmal, in dem sich die Grippe, die auch Influenza genannt wird, von einem grippalen Infekt unterscheidet, ist der Krankheitsverlauf. Während eine Grippe blitzartig und häufig mit starken Beschwerden inklusive Fieber auftritt, beginnt eine Erkältung meist schleichend.
Die Faustregel besagt: Ein grippaler Infekt kommt drei Tage (Halsschmerzen, Schnupfen), bleibt drei Tage (Husten, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Halsschmerzen), und geht drei Tage (trockener Reizhusten). „Die Symptomatiken einer Grippe sind viel stärker ausgeprägt als bei einem grippalen Infekt. Betroffene bekommen rasch hohes Fieber und leiden neben Kopf- und Gliederschmerzen an Schüttelfrost, starkem Husten, Appetitlosigkeit und Schwindel. Häufig muss über einen langen Zeitraum das Bett gehütet werden“, sagt Prof. Schlitt. Auch nach überstandener Infektion fühlen sich Betroffene oft mehrere Wochen lang schlapp.
Gefahr für Lunge und Herz
„Auch eine milde Erkältung und ein vergleichsweise kurzer Grippeverlauf belasten die Lunge und andere Organe wie das Herz. Wer sich nicht ausreichend schont und die Symptomatik verschleppt, riskiert langfristige Schädigungen der Organe“, betont der Kardiologe. Bei älteren Menschen und Menschen mit einem stark geschwächten Immunsystem kann eine Grippe sogar lebensbedrohlich bis tödlich enden. Laut Robert Koch Institut (RKI) lag die Rate der Influenza-assoziierten Todesfälle in der Grippesaison 2017/2018 bei über 25.000 Todesfällen. In den letzten Jahren der Pandemie starben jedoch weniger Menschen an den Folgen einer Influenza-Erkrankung. Durch das Einhalten der AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) infizierten sich weniger Menschen. Forschende warnen vor einer Rekordsaison im Winter 2022/2023.
Grippeschutzimpfung
Abstand halten, das Tragen von medizinischen Masken, regelmäßiges Lüften geschlossener Räume, ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung beugen Erkrankungen vor. Die regelmäßige Händedesinfektion nach den fünf Indikatoren der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist aus infektionspräventiver Sicht essenziell. Eine Ansteckung mit den Influenza-Viren kann über eine Tröpfcheninfektion über die Luft und über eine Schmierinfektion geschehen. Gelangen Erreger beispielsweise auf eine Türklinke, können diese dort wochenlang überleben und alle Personen, die die Türklinge anfassen infizieren.
Um ältere Menschen und stark immunbeinträchtige Personen vor einer Grippe-Erkrankung und möglichen Komplikationen, wie dem Tod, zu bewahren, empfiehlt sich eine Grippeschutzimpfung. „Mit einer Impfung können 90% der Grippe-Erkrankungen vermieden werden“, erklärt Prof. Schlitt. Die Symptomatik verläuft bei einer Erkrankung mit Impfschutz sehr viel schwächer.
Die Influenza-Viren verändern sich stetig, daher ist eine jährliche Auffrischimpfung notwendig. Der Impfschutz hält nur einige Monate an, weshalb die Impfung bestenfalls im Oktober oder November vorgenommen werden sollte, um einen vollen Schutz über die gesamte Grippesaison zu erreichen. Es treten kaum Nebenwirkungen bei der Impfung auf.
Die ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung für die folgenden Personengruppen:
- Menschen, die älter als 60 Jahre alt sind,
- Schwangere,
- medizinisches und pflegerisches Personal,
- Menschen mit einem erhöhten Risiko für Infizierungen, Erkrankungen und Komplikationen
- Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit chronischen Erkrankungen, wie unter anderen HIV-Infektion, Diabetes mellitus, Asthma, COPD und Tumorerkrankungen,
- nahe Angehörige von chronisch Erkrankten.
„Die jährliche Impfung gegen Influenza ist nach wie vor die wichtigste Maßnahme, um eine Influenzaerkrankung und dadurch verursachte Komplikationen und Todesfälle zu vermeiden“, betont Prof. Schlitt.
Weitere Informationen vom RKI zur Impfung erhalten Sie hier.