- Reha-Behandlung nach Covid-19-Erkrankung bei den Paracelsus-Kliniken erfordert Flexibilität und interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Infektion verursacht breites Spektrum an gesundheitlichen Folgeerkrankungen
- Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode GmbH behandelt monatlich 20 Patienten – Tendenz steigend
Während die Impfungen gegen das Corona-Virus in Deutschland mit Hochdruck anlaufen und viele Patienten als genesen aus den Akutkrankenhäusern entlassen werden, steht der medizinischen Rehabilitation eine gewaltige Aufgabe bevor. Denn die Langzeitfolgen der Infektion, auch „Long Covid“ genannt, sind bisher kaum überschaubar und erfordern eine enge Zusammenarbeit vieler medizinischer Disziplinen, um Patienten wieder zurück in ihren Alltag, zu ihren Familien und an ihren Arbeitsplatz zu bringen. In der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode GmbH, einem der wenigen Reha-Zentren in Deutschland, das sich interdisziplinär auf die Anschlussheilbehandlung von COVID-19-Erkrankten spezialisiert hat, wird das ganze Ausmaß der körperlichen Schädigungen durch das Virus deutlich. Die Rehabilitationsklinik mit den Schwerpunkten Herz-/Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen, Atemwegserkrankungen und Diabetes mellitus behandelt seit Dezember vermehrt Patienten nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung – Tendenz steigend.
Auswirkungen auf Lunge, Nervensystem und Herz
„Unsere Patienten sind zwar offiziell genesen, aber längst noch nicht wieder gesund“, bringt Dr. med. Stefan Schwarz, Chefarzt der Pneumologie an der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode, es auf den Punkt. Ganz vorn stehen bei den Patienten, die vor allem zur Anschlussheilbehandlung nach ihrer Krankenhausentlassung in die Reha-Klinik kommen, Lungen- und Atemprobleme: ein beengter Brustkorb, verkleinerte Lungenkapazitäten, ein gestörter Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid in den Lungenbläschen, manchmal sogar eine Lungenembolie. „Am Anfang steht bei uns darum eine genaue Diagnose mit einer Lungenfunktionsprüfung und einer Atemkraftdiagnostik ergänzt durch ein Screening auf Herzbeteiligung“, erklärt Dr. Schwarz. „Da finden wir zum Teil Zustände, die wir von Viruserkrankungen so bisher nicht kannten. Das mag auch an der künstlichen Beatmung liegen, die viele Patienten hinter sich haben, aber das ist noch in der wissenschaftlichen Diskussion.“ Besonders häufig beobachten die Mediziner in Bad Suderode auch neurologische und kognitive Ausfälle. Patienten berichten über Gedächtnisstörungen, können sich nicht konzentrieren, keine klaren Gedanken mehr fassen, leiden an Antriebslosigkeit, Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen, dem so genannten Fatigue-Syndrom. „Die Patienten sprechen von einer ‚bleiernen Müdigkeit’, die sie befällt“, berichtet Chefarzt Dr. Schwarz. „Wir haben Betroffene, die selbst sechs Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt noch Gedächtnisprobleme haben, wie zum Beispiel ein Steuerberater, der sich keine Zahlen mehr merken kann.“ Nicht ausgeschlossen werden können darüber hinaus auch kardiologische Probleme. „Wir wissen mittlerweile, dass auch Herzerkrankungen wie Herzmuskelentzündungen und Herzrhythmusstörungen auf das Virus zurückzuführen sind“, ergänzt apl. Prof. Dr. med. habil. Axel Schlitt, MHA, leitender Chefarzt und Chefarzt der Kardiologie an der Klinik. „Das kann bis zum Herzinfarkt führen. Wir machen deshalb bei allen Patienten eine Herzultraschalluntersuchung, um sicher zu sein, dass der Herzmuskel nicht geschädigt ist.“
Folgeschäden sind systematisch kaum erfassbar
Insgesamt sind die Symptome und Folgeschäden kaum zu klassifizieren, haben ganz unterschiedliche Stärken und Ausprägungen, unabhängig von Alter, Geschlecht, körperlicher Fitness und Krankheitsverlauf der Patienten. Das gilt auch für psychische Probleme wie Depressionen und Angststörungen, die aufgrund traumatischer Ereignisse eintreten können. Hier hat man an der Paracelsus-Harz-Klinik in Bad Suderode seit neuestem eine eigene psychologische Diagnostik eingeführt. In der ersten Woche des Aufenthalts führt ein*e Psychologe*in ein halbstündiges Orientierungsgespräch mit den Patienten gefolgt von regelmäßigen Gesprächsterminen, um psychische Folgeschäden zu erkennen und zu behandeln. Im Ergebnis kann die Empfehlung zu einer weiteren ambulanten psychotherapeutischen Betreuung nach der Entlassung aus der Reha stehen.
Flexibler Behandlungsstandard
Die Behandlung an der Klinik selbst dauert insgesamt drei bis vier Wochen, erfolgt fachbereichsübergreifend nach einem eigens entwickelten Konzept, das an den individuellen Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet ist. Der „Post-Covid-Standard“ in Bad Suderode umfasst eine drei- oder vierteilige Atemschulung, ein besonderes Hirnleistungstraining, ein psychologisches Einzelgespräch, Patientenschulungen rund um Covid-19 und ein speziell angepasstes Physiotherapie- sowie Atemtraining. Dazu gibt es eigens ausgearbeitete Ergotherapie-Programme in Einzel- oder auch in Gruppensitzungen sowie „klassisches“ Kraft- und Ausdauertraining. Auch Yoga-Übungen zur Erweiterung des Brustkorbs haben sich bewährt. Jeder Rehabilitand erhält vor Entlassung einen kardiopulmonalen Leistungstest, eine so genannte Spiroergometrie. Sie dient der Erfassung von kardiopulmonalen Residuen der Erkrankung.
Insgesamt 20 Betroffene, vor allem aus Krankenhäusern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, aber auch Patienten der Deutschen Rentenversicherung aus ganz Deutschland wurden im Januar nach überstandener COVID-19-Erkrankung an der Klinik behandelt. „Wir schauen während des ganzen Aufenthalts der Patienten genau hin und passen die Behandlung im Verlauf immer wieder neu an“, berichtet Dr. Schwarz. „Die Erkrankung ist so komplex und hat so viele Gesichter, dass wir uns nicht von vornherein auf einen Standard festlegen können.“ Alle Mitarbeiter an der Klinik arbeiten darum multiprofessionell eng zusammen, wenn es um die Behandlung der Covid-Rehabilitanden geht. „Die qualitativ hochwertige und fachgerechte medizinische Rehabilitation nach einer Covid-Erkrankung gehört zu den dringlichsten Aufgaben der nahen Zukunft“, resümiert Prof. Dr. Axel Schlitt. „Wir richten uns an unserer Klinik wie auch bei der gesamten Paracelsus-Gruppe auf wahrscheinlich noch weiter steigende Patientenzahlen in diesem Segment ein.“
Um diese Herausforderung zu schaffen, pflegt man in Bad Suderode unter anderem einen engen wissenschaftlichen Austausch mit der Covid-19-Sprechstunde von Dr. med. Isabell Pink in der Abteilung von Prof. Dr. med. Tobias Welte, dem Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und anderen pneumologischen Reha-Fachklinken. „Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen wirkt die Anschlussheilbehandlung in der Rehabilitation bei einer Vielzahl von Folgeerkrankungen“, schließt Dr. Stefan Schwarz. „Wir wollen hier im engen Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen die Behandlung langfristig stetig weiter verbessern und können zum derzeitigen Stand nur allen, die eine Coronavirus-Infektion hinter sich haben, dazu raten, eine Rehabilitationsmaßnahme – gern auch an der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode – zu absolvieren.“